Welche Rechte und Pflichten hat der Tierarzt? Teil 1
Am liebsten sieht man ihn privat - und wenn schon dienstlich, dann höchstens zur Routine-Impfung oder Verabreichung der Wurmkur: den Tierarzt. In den meisten Fällen auch ernsterer Behandlungen verläuft das Geschäftsverhältnis problemlos ab - das Tier wird gesund und die Rechnung bezahlt. Dennoch kann es passieren, daß der Patient bzw. sein Eigentümer Probleme mit der Behandlung oder nachfolgenden Rechnungsstellung hat. Thema in dieser Ausgabe ist der "Normalfall", während im Teil 2 Problemfälle und Beispiele mit Schwerpunkt auf Haftpflichtfälle besprochen werden.
Der Tierarzt kommt - was bedeutet das im rechtlichen Sinne?
Gehen wir vom einfachsten Fall aus: ein Pferd wird krank und der Halter ruft den Arzt, um das Tier zu behandeln. Nach der Behandlung ist das Tier gesund, der Arzt stellt seine Rechnung und der Halter bezahlt.
Was ist hier juristisch abgelaufen?
Es ist ein sog. Vertrag abgeschlossen worden, der den Arzt zur Behandlung des Pferdes und den Halter zur Zahlung der anfallenden Gebühren verpflichtet. Dieser Vertrag - das ist uns allen aus der Praxis bekannt - bedarf keiner besonderen Form, z.B. Schriftform.
Wie sehen die Pflichten des Tierarztes im einzelnen aus?
Grundsätzlich schuldet der Tierarzt aus dem Behandlungsvertrag zunächst eine sorgfältige und gewissenhafte Untersuchung des Pferdes. Er muss den Halter außerdem über die nach den veterinärmedizinischen Kenntnissen und Erfahrungen anzuwendenden therapeutischen Maßnahmen und Alternativen sowie ihre Gefahren beraten. Nur nach dieser Beratung kann der Auftraggeber nämlich entscheiden, ob und wenn ja, welche Behandlung er durchführen lassen will.
Allerdings wird die Beratungs- bzw. Aufklärungspflicht in der Praxis sehr eng ausgelegt.
Mehr dazu im Beitrag "Probleme mit dem Tierarzt".
Es folgt dann üblicherweise die vereinbarte und erforderlichen Therapie. Im Rahmen der Behandlung ist er auch zur Nachsorge und Kontrolle verpflichtet. Schließlich trifft ihn auch die Dokumentations- und Schweigepflicht.
Daraus wird deutlich, dass der Arzt keinen Heilungserfolg schuldet, sondern vielmehr das Bemühen um Hilfe und Heilung, wobei er die Kenntnisse und Erfahrungen anzuwenden hat, die man von einem gewissenhaften Veterinär erwarten kann.
Ausnahmen sind Behandlungen und Operationen, die ein konkretes Ziel haben: zum Beispiel eine Kastration, Röntgenaufnahmen oder Zahnraspeln.
Welche Pflichten treffen den Halter?
Aus dem Vertrag trifft den Halter lediglich die Pflicht, das Honorar zu bezahlen. Darüber hinaus hat er im Rahmen der Therapie die Anordnungen des Arztes zu befolgen, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden. Verletzt er diese "Nebenpflicht", kann er deswegen zwar nicht verklagt werden; der Arzt hat jedoch das Recht, die Behandlung abzubrechen und kann dann auch nicht für eventuelle Misserfolge haftbar gemacht werden und kann anteilig sein Honorar fordern.
Die Rechnungsstellung
Wie aus der Humanmedizin bekannt, rechnet auch der freiberufliche Tierarzt nach einer Gebührenordnung ab. Darin ist die Honorarhöhe für die jeweilige Behandlung aufgeführt. Für nicht landwirtschaftlich genutzte Tiere darf der Arzt seine Gebühr bis zum dreifachen Mindestsatz erheben. Noch höhere Honorare bedürfen vor der Behandlung eines schriftlichen Vertrages.
Die Rechnung muss außerdem einige Formalien enthalten, um für den Halter nachvollziehbar zu sein. Außerdem dient sie in Streitfällen auch dem Arzt als Beweisunterlage für seinen Behandlungsablauf. Neben dem Namen des Auftraggebers sind dies:
- Tierart und eventuell nähere Beschreibung wie Name, Zeichnung
- Diagnose
- Datum/Daten der Leistungserbringung
- berechenbare Leistung, wobei Arzneien und Verbandsmaterial gesondert aufzuführen sind
- Rechnungsbetrag sowie angewendeter Mehrwertsteuersatz
Pauschalrechnungen dürfen nur mit Absprache des Auftraggebers erstellt werden.
Da keine Behandlung bzw. Medikamentenabgabe ohne vorherige Untersuchung zulässig ist, findet man in jeder Rechnung einen Betrag für "Untersuchung". Üblicherweise stellt der Arzt auch die Fahrtkosten (anteilig) in Rechnung.
Wann endet der Vertrag mit dem Tierarzt?
Grundsätzlich endet der Vertrag, wenn die Behandlung abgeschlossen ist und der Halter das Honorar bezahlt hat.
Der Halter darf jederzeit den Behandlungsvertrag beenden und einen neuen Arzt beauftragen. Er muss dann allerdings dem ersten Arzt das bis dahin anfallende Honorar bezahlen.
Umgekehrt darf der Tierarzt nur dann kündigen, wenn der Tierhalter sich anderweitig Hilfe beschaffen kann (sog. "Verbot der Kündigung zur Unzeit"). Verletzt der Tierarzt diese Pflicht, so kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn ein Schaden entsteht (§ 627 II S.2 BGB). Er darf den Vertrag allerdings sofort kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, z.B. Missachtung seiner Anordnungen oder Beleidigung des Arztes.
Wer zahlt, wenn nicht der Eigentümer/Halter den Arzt bestellt hat?
Üblicherweise beauftragt der Tierhalter den Arzt. In Notfällen kann es aber vorkommen, dass z.B. der Stallbetreiber oder die Reitbeteiligung es für nötig halten, den Tierarzt zu bestellen - beispielsweise, weil der Halter kurz- oder längerfristig nicht erreichbar war. Handelt es sich um offensichtliche Verletzungen, deren ärztliche Versorgung unaufschiebbar nötig sind, wird jeder Halter dafür Verständnis haben und seinem "Helfer" sogar dankbar sein, dass er für die schnelle Heilung des Tieres gesorgt hat. Wie aber ist es bei Husten oder unspezifischen Lahmheiten, angesichts derer man über die "sofortige Nothilfe" durchaus diskutieren könnte? Oder gar bei Kolikverdacht? Hier kann die Entscheidung gegen den Tierarzt Geld sparen - aber auch ein Pferdeleben kosten...Und wenn die Behandlung dem Halter tatsächlich unangemessen erscheint und dazu noch teuer war und im extremen Pech das Pferd eine aufwendige Operation nicht überlebt - wer zahlt die Zeche?
Um derlei Auseinandersetzungen zu umgehen, sollte man als Pferdehalter grundsätzlich für Abwesenheiten, in denen man für mehr als einen Tag nicht erreichbar ist, eine vertrauenswürdige Person bevollmächtigen, die für diese Fälle die Entscheidung "pro oder contra" trifft. Manche Stallbetreiber haben sogar in ihrem Einstellervertrag geregelt, dass sie im Notfall einen Tierarzt beauftragen können - und der Halter dennoch die Rechnung begleichen muss.
Da bei Unfällen oder akut auftretenden Krankheiten auch Operationen notwendig werden können, sollte im Vorwege auch abgesprochen werden, bis zu welcher Höhe der Halter bereit ist, die Behandlungskosten zu übernehmen. Hier wird der materielle und ideelle Wert des Tieres zu beachten sein, sein Alter sowie die Heilungschancen durch eine Operation.
Juristisch betrachtet schließt in so einem Fall der Bevollmächtigte für den Tierhalter den Behandlungsvertrag und der Halter wird somit Vertragspartner - muss also auch das Honorar bezahlen. Das ist der einfachere, weil geregelte Fall.
Komplizierter wird es bei der "Geschäftsführung ohne Auftrag", bei der Stallbetreiber oder Reitbeteiligung ohne ausdrückliche Erlaubnis den Arzt beauftragen. In diesem Fall wird diese Person Vertragspartner des Arztes und müsste folglich auch die Gebühren bezahlen. Da dies als "Hilfestellung in Notsituationen" jederzeit vorkommen kann, hat der Gesetzgeber dies im §§ 677 - 687 BGB geregelt: dort steht unter anderem, dass derjenige, der für einen anderen ein Geschäft führt - hier also einen Arzt beauftragt - von dem "Geschäftsherren" (dem Tierhalter) Ersatz für diejenigen Aufwendungen verlangen kann, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich hielt, mithin also die Kosten für die Behandlung (§§ 683, 670 BGB). Voraussetzung ist allerdings, dass die Geschäftsführung "dem Interesse und dem wirklichen Willen des Geschäftsherren entspricht".
Welche Problemfälle es geben kann und welche Rechte der Pferdehalter bei Fehlbehandlungen gegen den Tierarzt hat, lesen Sie hier.
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